Göttliche Funken — wir alle

Vor langer, langer Zeit erkannten die Menschen Gott in allem, das sie umgab: In Steinen und Bäumen, in Wolken und Wasser. Sie hörten die göttliche Sprache im Gesang der Vögel und im Grollen des Donners. Um die harten Worte zu vermeiden und statt dessen sanften Regen und ebenso sanften Sonnenschein einzuladen, brachten sie heraus ragenden Verkörperungen Gottes ihre Gaben dar: hohen Felsen, uralten, riesigen Bäumen und klaren Quellen.
Ja, es war offensichtlich: Gott wollte verehrt werden. Doch es gab so viele Manifestationen Gottes!
Also musste eine Auswahl musste getroffen werden. Der eine Clan neigte dazu, Felsen zu verehren, dieser die Vögel der Lüfte, jener bevorzugte Bäume, ein anderer Wasser, wieder ein anderer gar Feuer. Jeder Clan entschied, was den höchsten Wert hatte, entsprechend der eigenen Lebensweise Doch es dauerte nicht lange, bis der Streit losging: Welche Erscheinung Gottes war besser? Welche besonders wohlwollend? Welche verkörperte die größte Macht?
Und weil die Vorlieben so vielfältig waren, kam es oft zu Kämpfen.

Vor immer noch langer Zeit trug ein Mensch eine revolutionäre Idee vor: All diese Dinge und  Orte der Anbetung – sie alle sind Manifestationen eines einzigen Gottes. Lasst uns die Sache vereinfachen und einem einzigen all umfassenden Gott huldigen.
Es brauchte einige Zeit… doch viele Menschen und viele Völker nahmen diesen Vorschlag an. Der Grundgedanke war: Einigung. Alles ist eins, weil alles aus einer Quelle stammt.
Aber brachte diese Vereinigung Frieden? Nein.
Da gab es jene, die Monumente erschaffen wollten, und die zeigten Gott als Mann. Die Frauen waren nicht einverstanden: Wer bringt neues Leben in diese Welt? Dies kann nur eine Göttin sein.
Da kamen jene, die sagten: Die Größe Gottes übersteigt jede Vorstellungskraft. Deshalb darf es  nicht erlaubt sein, die Gottheit in Farbe oder Stein abzubilden.
Wieder gab es heftig Kämpfe und Kriege und noch mehr  Kriege, alle geführt im Namen Gottes.

Doch es gab einige, die des ständigen Streitens und Kämpfens müde wurden, und ihre Zahl wuchs, und einige von ihnen wurden nachdenklich. Sie  fragten sich: Wenn Gott in allem ist und wirkt: dann muss auch ein göttlicher Funke in mir selbst lebendig sein!

Ein Sehnen geht um die Welt: Sich mit diesem göttlichen Anteil zu verbinden.
Und doch: Wie in den Liedern der Troubadoure, die von Liebe singen, der die Erfüllung fehlt,
war dies ein Sehnen nach etwas, das verloren ging, vor langer Zeit. Nach etwas, das irgendwo dort draußen ist, in weiter Ferne — vielleicht irgendwo jenseits des Regenbogens?
Gedichte werden geschrieben, Lieder gesungen und um die Erdkugel getragen:
Dieser Funke Gottes ist im Innern lebendig, er funkelt in mir, in dir… in jedem von uns.
Viele fühlen sich hingezogen zu diesen Liedern, und viele zweifeln: Könnte etwas Wahres daran sein?

Doch hier und da stellt sich der eine oder andere eine neue Frage: Das hört sich gut an, aber alle tun so, als wäre  dieser göttlicher Funke etwas, das erst gefunden werden muss. Ob in weiter Ferne oder um die nächste Ecke: Das Suchen bedeutet: Immer außer Reichweite.
Ich hab‘ genug von all dem Sehnen und Zweifeln: Ich atme ihn ein, diesen Funken, tief in mich Selbst.

Und wie zuvor das Lied voller Sehnsucht und Romantik wird ein neues Lied gesungen, und es geht um die ganze Welt: Ich bin, du bist, wir alle sind Funken Gottes, menschlich und göttlich zugleich.

Und wenn dieses Lied sich verwurzelt, dann ist es das Ende von Kämpfen, Streit und Krieg.