Die Sonne ist im Wassermann, bald beginnt der Karneval −
das ist genau die richtige Zeit für ein paar Narrengedichte
Schlangenhaut & Spiegel
Viele fürchten sie.
Andere halten Schlangen für weise und heilig.
Ebenso wie eine Schlange die zu eng gewordene Haut abstreift
können auch wir uns von alten Hüllen befreien.
Das kleine Mädchen meiner Erinnerung
bekam mit der Kleidung auch Bilder angezogen
— sie waren sehr niedlich und nett.
Ich erinnere ein rosarotes Rüschenkleid.
Als es mir endlich zu klein war
bekam ich das genau gleiche
abgelegte meiner Schwester.
Wie lange noch trug ich
nachdem mein Körper auch aus diesem — endlich —
heraus gewachsen war, das niedlich-nette Kinderbild meiner Eltern.
Mühsam war es, die alten Häute abzustreifen.
Doch heute — endlich — stehe ich nackt vor dem Spiegel
frage mich: Worin möchte ich meine Nacktheit hüllen?
Baumwolle, Seide oder Lumpen?
Jeden Tag aufs Neue.
Flausen im Kopf
>>Du immer mit deinen Flausen im Kopf! Wenn du so weitermachst,
wenn du nicht Vernunft annimmst, wirst du es nie zu etwas bringen!<<
Diesen und ähnliche Sätze − wie oft habe ich sie gehört,
wenn ich von meinen Träumen sprach,
von meiner Vision eines ganzen und heilen Lebens.
Und fühlte mich >>daneben<<
immer am falschen Platz, nie passend für eure Welt.
Auch ich wollte einen Platz an der Sonne!
− und führte doch nur ein Leben im Schatten!
Verzweifelt mühte ich mich ab
− viel zu lange, wie mir heute scheint −
es per Vernunft >>zu was zu bringen<<
und war unzufrieden, frustriert, angeödet
von mir selbst und meinem ganzen Tun und Sein.
Je mehr ich mich abstrampelte, umso mehr verhedderte ich mich
im Gestrüpp des alltäglichen Besorgens.
Erst als ich ausrutschte auf eurem Weg und vollends auf die Nase fiel
da kam mir plötzlich die Erleuchtung: Auf eure Stimme der Vernunft zu hören
− das war ganz entschieden keine gute Idee!
Die waren zu klein für mich und viel zu eng,
ließen mir keine Luft zum Atmen, keinen Raum zum Leben.
Von dieser Erkenntnis, klar wie ein leuchtender Stern
ließ ich mich führen zum Fluss meiner Sehnsucht
dem Fluss des schöpferischen Seins und Tuns.
In seinem Wasser spülte ich die Schatten klar,
der Strömung entgegen schwamm ich mich frei
bis dorthin, wo die Quelle dem Stein entspringt und sich mit Licht vereint.
Heute
− und heute, das ist jeder neue Tag
sage ich JA zu mir selbst
zu meinen Träumen und Visionen
lebe als Lebens-Künstlerin
die immer noch − und jetzt erst recht! −
ihre Flausen hegt und pflegt.
Familienbild mit schwarzer Ziege
Als Fremdling hineingeboren in eine Familie aus hellen Schafen
— schwarz, und von Beginn an bestimmt zum Anders Sein.
Die Schafe schämen sich des dunklen Wesens in ihrer Mitte,
sagen: >Ja, sicher gehörst du zu uns,
aber dann sei auch wie wir. Sei hell und lieb und artig und nett.<
Als einzig bockiges schwarzes Tier
in einer ganzen Herde weißer Schafe
fühlt sich der schwarze Fremdling getrieben
ins Anders Sein,
verlässt die saftigen Kleewiesen
grast lieber auf steinigen Hängen, wo im Steingrund unter den Hufen
nichts wächst als kratzige Disteln und stachliger Ginster.
Nahrung, die eine Botschaft enthält:
Disteln und Ginster sind zähe Gewächse, die treiben ihre Wurzeln tief in den Boden,
Nahrung und Wasser finden sie nicht an der kargen Oberfläche.
Und wenn diese Pflanzen auch bitter schmecken
so haben sie doch heilende Kraft.
Schwarz Sein:
das war nicht nur Anders Sein, Nicht Dazugehören
das wurde auch zu einer Maske, in deren Schutz sich Heilung vollzog,
hinter der die verkannte Schaf Ziege zur Närrin wurde,
ihre Narrenfreiheit genießen lernte,
auf andere Narren traf — um plötzlich zu erkennen:
Nicht armes ausgestoß’nes Schaf bin ich — sondern Ziege
wie all die ander’n un angepassten Narren
zu deren Wesen es gehört, bockig und eigen willig zu sein.
Die Schwarze Ziege beginnt,
sich wohl zu fühlen an den steilen Hängen, wo heilsame Kräuter wachsen
wo Echsen sich auf Steinen sonnen
und schwarzglänzende Skorpione des Nachts ihre Tänze der Liebe aufführen.
Und dann und wann ist Pan zu Gast mit seiner Flöte.