Zerrissene Erde

Tektonische Platten reiben sich
Verwerfungen setzen sich fort als Erschütterung
als Erdbeben, Seebeben, Tsunami…

Die Kluft wird breiter, die Risse werden tiefer zwischen arm und reich.
Immer mehr Menschen wissen, wie es ist
durch die Einkaufszentren zu  gehen
mit der letzten Münze in der Tasche
‒ umgeben von denen, die schwere Taschen schleppen.

Interessante Erfahrung des Prüfens
& Loslassens: Was brauche ich wirklich?

Die jetzt festhalten an ihrem Besitz
an der Macht der Gewohnheit des Immer-Mehr:
Sie verpassen den Anschluss ans Leben, sie verstehen nicht mehr:
Was machen all die Bettler auf den Straßen?
Sie möchten sie fortschicken ‒ in welche Wüste?
Möchten sie wieder Lager errichten?
Die mit der Inschrift über dem Tor: Arbeit macht frei!

Nein, sie merken nicht mehr
in welcher Wüste des Nicht-Verstehens sie selbst leben.
In einer Wüste aus überflüssigem Plunder
der doch nicht verbergen kann
was ihnen fehlt: das Wissen um Verbundenheit,
die Fähigkeit zum Mit-Fühlen.
Ihre Gefühle sterben im Kaufrausch.
Sie kaufen ein Konzentrat als Ersatz: die Angst um ihren Besitz.

Wer wird am Ende wirklich reich sein?
Wo liegt das wahre Gold verborgen?
Im Haben oder im Sein?
Im Raffen oder Sich-Zeit-Nehmen und Sein-Lassen?
Noch ist es Zeit ‒ wie lange noch? ‒ für die Frage
und die Entscheidung: Auf welcher Seite möchte ich stehen?

Chaotische Zeiten

Ja, wir leben in chaotischen Zeiten ‒ und das ist gut so!
Woher sonst soll Veränderung kommen? Sie wird aus dem Chaos geboren.

 Erinnern wir uns: an uralte Mythen, an Götter,
denen nicht starre Ordnungen heilig sind, sondern das Chaos:
Dionysos, Eros, Shiva, Ogun, der Trickster Koyote…
heissen wir sie willkommen im Leben
anstatt Leben auszusperren & uns selbst einzusperren mitsamt unseren Ängsten
die wir bebrüten vor dem TV-Gerät, auf dass sie sich mehren.

Lassen wir doch statt dessen die Liebe wachsen ‒
auch wenn Liebe zunächst mehr Angst und Furcht auslöst als Hass und Gewalt.
Lassen wir die Liebe in Freiheit wachsen ‒ es braucht nur Mut:
den Mut ein kleines Quentchen größer werden lassen als die Angst.

 Die geheiligten Werte: Sie sind immer noch lebendig
& warten darauf, von uns entdeckt zu werden, wieder aufgedeckt.
So lange waren sie vergraben unter den starren Strukturen kalter Macht.
Der Weg dorthin steht auf keiner Landkarte; er kann nur erfühlt werden.

 Lasst uns das wachsende Chaos als Wegweiser wählen ‒
wer verlässt schon ohne Not & freiwillig seine Sicherheiten
die doch nur Fesseln und Gefängnisse sind?!

Der Wandel wird sicherlich kommen:
& er geschieht in unseren Köpfen, es liegt in unseren Händen:
ob Chaos immer weiter zu Verfall führt, Zersplitterung und Tod
oder ob eine neue lebendige Ordnung entsteht:
Eine Ordnung der Liebe.

 Wir sind das Zentrum im Auge des Wirbelsturms
Und dieses Zentrum wird halten, wenn unser Drehpunkt die Liebe ist.

Narrenfreiheit

Die Sonne ist im Wassermann, bald beginnt der Karneval −
das ist genau die richtige Zeit für ein paar Narrengedichte

Schlangenhaut & Spiegel

Viele fürchten sie.
Andere halten Schlangen für weise und heilig.
Ebenso wie eine Schlange die zu eng gewordene Haut abstreift
können auch wir uns von alten Hüllen befreien.

 Das kleine Mädchen meiner Erinnerung
bekam mit der Kleidung auch Bilder angezogen

sie waren sehr niedlich und nett.
Ich erinnere ein rosarotes Rüschenkleid.
Als es mir endlich zu klein war
bekam ich das genau gleiche
abgelegte meiner Schwester.

Wie lange noch trug ich
nachdem mein Körper auch aus diesem — endlich —
heraus gewachsen war, das niedlich-nette Kinderbild meiner Eltern.

 Mühsam war es, die alten Häute abzustreifen.
Doch heute — endlich — stehe ich nackt vor dem Spiegel
frage mich: Worin möchte ich meine Nacktheit hüllen?
Baumwolle, Seide oder Lumpen?

 Jeden Tag aufs Neue.

Flausen im Kopf

>>Du immer mit deinen Flausen im Kopf! Wenn du so weitermachst,
wenn du nicht Vernunft annimmst, wirst du es nie zu etwas bring
en!<<

 Diesen und ähnliche Sätze − wie oft habe ich sie gehört,
wenn ich von meinen Träumen sprach,
von meiner Vision eines ganzen und heilen Lebens.

 Und fühlte mich >>daneben<<
immer am falschen Platz, nie passend für eure Welt.

Auch ich wollte einen Platz an der Sonne!
und führte doch nur ein Leben im Schatten!

Verzweifelt mühte ich mich ab
viel zu lange, wie mir heute scheint −
es per Vernunft >>zu was zu bringen<<

 und war unzufrieden, frustriert, angeödet
von mir selbst und meinem ganzen Tun und Sein.
Je mehr ich mich abstrampelte, umso mehr verhedderte ich mich
im Gestrüpp des alltäglichen Besorgens.

 Erst als ich ausrutschte auf eurem Weg und vollends auf die Nase fiel
da kam mir plötzlich die Erleuchtung: Auf eure Stimme der Vernunft zu hören

das war ganz entschieden keine gute Idee!
Die waren zu klein für mich und viel zu eng,
ließen mir keine Luft zum Atmen, keinen Raum zum Leben.

 Von dieser Erkenntnis, klar wie ein leuchtender Stern
ließ ich mich führen zum Fluss meiner Sehnsucht
dem Fluss des schöpferischen Seins und Tuns.
In seinem Wasser spülte ich die Schatten klar,
der Strömung entgegen schwamm ich mich frei
bis dorthin, wo die Quelle dem Stein entspringt und sich mit Licht vereint.

Heute
und heute, das ist jeder neue Tag
sage ich JA zu mir selbst

zu meinen Träumen und Visionen
lebe als Lebens-Künstlerin
die immer noch − und jetzt erst recht! −
ihre Flausen hegt und pflegt.

 Familienbild mit schwarzer Ziege

Als Fremdling hineingeboren in eine Familie aus hellen Schafen
schwarz, und von Beginn an bestimmt zum Anders Sein.
Die Schafe schämen sich des dunklen Wesens in ihrer Mitte,
sagen: >Ja, sicher gehörst du zu uns,
aber dann sei auch wie wir. Sei hell und lieb und artig und nett.<

 Als einzig bockiges schwarzes Tier
in einer ganzen Herde weißer Schafe
fühlt sich der schwarze Fremdling getrieben
ins Anders Sein,
verlässt die saftigen Kleewiesen
grast lieber auf steinigen Hängen, wo im Steingrund unter den Hufen
nichts wächst als kratzige Disteln und stachliger Ginster.
Nahrung, die eine Botschaft enthält:
Disteln und Ginster sind zähe Gewächse, die treiben ihre Wurzeln tief in den Boden,
Nahrung und Wasser finden sie nicht an der kargen Oberfläche.
Und wenn diese Pflanzen auch bitter schmecken
so haben sie doch heilende Kraft.

 Schwarz Sein:
das war nicht nur Anders Sein, Nicht Dazugehören
das wurde auch zu einer Maske, in deren Schutz sich Heilung vollzog,
hinter der die verkannte Schaf Ziege zur Närrin wurde,
ihre Narrenfreiheit genießen lernte,
auf andere Narren traf um plötzlich zu erkennen:
Nicht armes ausgestoß’nes Schaf bin ich sondern Ziege
wie all die ander’n un angepassten Narren
zu deren Wesen es gehört, bockig und eigen willig zu sein.

 Die Schwarze Ziege beginnt,
sich wohl zu fühlen an den steilen Hängen, wo heilsame Kräuter wachsen
wo Echsen sich auf Steinen sonnen
und schwarzglänzende Skorpione des Nachts ihre Tänze der Liebe aufführen.

Und dann und wann ist Pan zu Gast mit seiner Flöte.