Sprache im Wunderland

Manchmal geht’s mir wie Alice:
Die Worte kommen falsch heraus.
Im Kopf liegen sie bereit für klare Aussagen
für passende Fragen.
(Mitunter nicht einmal das, dann ist ein Suchauftrag nötig.)
Gedanken greifen ein Wort, Sprache fängt es auf,
macht damit, was sie will, spielt herum,
probiert, wozu das zufällig gewählte Wort brauchbar ist.

Doch manchmal verschließt sich der Kopf,
verweigert das Mitspielen.
Dann denke ich nur noch:
Schon wieder hat mir etwas oder jemand die Sprache verschlagen!
Und ich erlebe
das Warten auf passende Antworten
und ich höre
das Reden um des Redens willen
das Bohren nach dem, was in mir verschlossen ist.
“Los, sag wer du bist, gib dich preis, damit wir dich verurteilen können
oder wenigstens in die passende Schublade verpacken.
Wir versprechen vielleicht sogar Strafmilderung.”

So lernte ich, mich in Schweigen zu verschließen.

Dann begann etwas Neues: Das spannende Wechselspiel
wenn jemand zuhört, auf Fragen Antwort gibt,
wie es ist, wenn ich zuhöre und antworte
wenn da Austausch ist, offen und fließend.

Fehler? Gibt’s die überhaupt?
Du machst sie einfach.
Lass dich überraschen von dir selbst.

Endlich lernte ich:
das helle Lachen der Freude
aber auch das freche Lachen von zielsicherem dunklem Humor
der mitten ins Schwarze trifft.

Wo sind die Worte

Dieses Gedicht habe ich vor vielen Jahren geschrieben und gerade wiederentdeckt.
Als ich es geschrieben habe, hatte ich dabei die Hemmschwellen im Sinn, die ich überspringen musste, um mich frei ausdrücken zu können.
Gegenwärtig hat es leider noch einer andere Bedeutung, die Rest-Aphasie (siehe: Aphasie),
die gelegentlich immer noch mit dem treffenden Wort Versteckspiele treibt.

Versuch, ein Gedicht einzufangen — und was danach geschah

Versuch, ein Gedicht einzufangen

Das Bild lauert genau am Rande des Blickfelds.

Als ich meinen Kopf drehe,

flattern die Wörter auf und davon wie ein Vogelschwarm.

Ich weiß, sie sammeln sich wieder, in ihrer eigenen Symmetrie

Irgendwo hoch oben auf einem Dach oder einem Baum.

Versuchen, sie zurück zu locken führt zu nichts

keinem Vogel, keinem Wort.

Ich ergebe mich dem Nichts

gehe spazieren, mache Rast auf einer Bank

mein Geist wird still wie die Oberfläche eines Teiches… bis…

Etwas rührt sich

Nein, ich habe keine Brotkrumen, und doch strecke ich meine Hand aus

hinaus aus der Stille. und als ich meine Augen öffne

– Überraschung!

Ein Bläuling lässt sich nieder auf meiner Hand.

Wo sind sie, die Wörter?

Dieses Gedicht hatte ich kurz vor meiner Aphasie-Katastrophe für eine Anthologie eingesandt, woran mich erst die Nachricht erinnerte, dass es tatsächlich für eine Veröffentlichung ausgewählt wurde. Als ich es auf der beigefügten Korrekturfahne noch einmal durchlas, erschrak ich: Als hätte ich mir den zeitweisen Verlusts der Sprache vorausgeschrieben, mit den Bildern der Wörte, die auf und davon flattern wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm.

(siehe Text „Aphasie“)

Als ich aber bei dem Schmetterling angekommen bin, der auf meiner Hand landet, kann ich schon wieder lächeln: Genauso war es, erforderte gleichermaßen Beharrlichkeit wie unendliche Beduld, die Spracheschmetterlinge wieder herbeizulocken.

Ich bedanke mich bei mir selbst für beides — und für mehr: Für jede neue inspirierende Idee, die mir zufliegt wie aus dem Nichts, und für meine zunehmende Geduld dabei, solche winzigen Keime wachsen zu lassen.

Roman: Ein Fall von Borderline

Die Künstlerin Stella hat bereits mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich, die zu unterschiedlichen Diagnosen führe, wobei sie sich mit der letzten, Borderline-Syndrom, völlig identifizieren kann, wegen ihrer Assoziation mit Grenzüberschreitungen und dem Ausbrechen aus engen Grenzen. Ihr Bericht von psychiatrischen und therapeutischen Erfahrungen ist manchmal lapidar, manchmal rebellisch, dann wieder grüblerisch und gelegentlich sogar weise.

Aufgrund ihrer Lebensgeschichte und als noch nicht sehr erfolgreiche Malerin sieht sich Stella als gesellschaftliche Außenseiterin, kann dieser prekären Situation aber durchaus Positives abgewinnen, frei nach dem Motto: Nur, wer aus sämtlichen Rahmen gefallen ist, kann das ganze Bild sehen, anders als diejenigen, die im Bild gefangen sind.

Allmählich verlagert sich Stellas Aufmerksamkeit auf die Beziehung zu   Aliena, ihrer unsichtbare Spielgefährtin aus Kindertagen. Inzwischen hat die Malerin zu dieser Freundin eine zwiespältige Einstellung. Einerseits verdankt sie ihr kreative Inspirationen, andererseits macht es sie neidisch, wenn ihre Komplementärfrau in Träumen ihre mühelose Kreativität vorführt, während Stella sich mit den Problemen der materiellen Welt herumschlägt, ob es dabei nun um ihre finanzielle Situation geht oder um künstlerische Techniken.

Angesichts dieses scheinbaren Wetteiferns schlägt Stellas Neid schließlich um in heftigen Zorn, der in den Plan mündet, die einstige Spielgefährtin in ein Bild zu ver-bannen.  Doch als dieses Bann-Bild fertig ist, fordert sie, verärgert über einen Patzer beim Malen, ihr Alter ego auf: „Komm doch und tausch mit mir!“

Im Epilog wird von den Folgen dieses vermeintlichen Tausches  erzählt, der  für eine Verschmelzung steht mit dem, was in spiritueller Literatur oft als Höheres selbst bezeichnet wird. (Allerdings geht Stella in einer  esoterischen Episode nicht besonders schmeichelhaft mit diesem Thema um.) Letztlich bleibt die Aufforderung zum Tausch und was sich daraus entwickelt für vielerlei Deutungen offen.

Als ich im Frühjahr damit beschäftigt war, meinen jetzt vorliegenden Roman „Ein Fall von Borderline“ für die Veröffentlichung vorzubereiten, da landete ich statt am Computer im Krankenhaus. Der Herzinfarkt, der mich dorthin verfrachtet hatte, schien von glimpflichem Verlauf — wäre da nicht die sensible Reaktion meines Körpers auf Medikamente jeder Art. Unmittelbar auf den überstandenen Infarkt folgte eine Hirnblutung – und die wiederum wirkte auf das Sprachzentrum — Aphasie!

Ich war nicht mehr in der Lage, einen vollständigen Satz zu artikulieren, ich war nicht mehr fähig, geschriebene Wörter in gesprochene Sprache zu verwandeln.

Ein Arzt teilte meiner Schwester mit, dass er die Chancen auf Verbesserung dieses Zustandes sehr gerin einschätzte.

Doch nachdem in einer Spezialklinik fast alle Medikamente abgesetzt worden waren, kehrte… langsam und allmähliche… die Sprache zurück. Der mündliche Ausdruck machte mir immer dann am wenigsten Probleme, wenn ich einfach sagen wollte, was mir gerade in den Sinn kam — was so weit ging, dass Freunde und Verwandte bei Besuchen oder Telefonanrufen ihre Freute zum Ausdruck brachten, weil ich schon wieder sehr „normal“ klang. Wenn ich aber als Antwort auf eine Frage nach einem ganz bestimmten Wort suchte — dann schienen sich die Wörter beharrlich zu verstecken. Geradezu niederschmetternd waren meine Abstecher in den Park der Klinik: So viele Pflanzen in voller Blüte — für mich jedoch waren sie wie das wiedersehen mit alten Bekannten, deren Namen mir partout nicht einfallen wollte.

Mein besonderer Dank gilt den Sprachtherapeuten, die mir Mut machten mit der Versicherung, dass mir die Sprache nicht etwa weitgehend abhanden gekommen sei, sondern dass es jetzt zunächst um eine neue Art des „Aufspürens“ gehe.

So manches Mal staunte ich über mich selbst, wenn ich vor Freude strahlte, weil mir ein gesuchtes Wort wieder eingefallen war.

Mich freuen, weil in dieser Ödnis das eine oder andere Wort wieder auftaucht? Ja, ich freute mich über solche kleinen Fortschritte, aber ich tat noch mehr: Ich griff mir eine Zeitschrift mit einem substanziellen Text, wobei anfänglich schon die Überschriften erhebliche Probleme bereiteten. Ich machte mir Notizen in einer Kladde, ohne mich durch die massenhaften Schreibfehler demotivieren zu lassen — denn wie soll ich mich wieder in etwas üben, wenn ich es nicht praktiziere?

Auf die Zeitschrift folgte ein Krimi, in der Sprachtherapie folgten rasante Fortschritte.

 Inzwischen bin ich längst wieder zu Hause, und als ich das erste Mal wieder vor meinem Computer saß, war das, als müsste ich Erinnerungen aus uralter Zeit aktivieren: Wie funktioniert dies, wie geht denn das noch? Immer noch neige ich beim Schreiben dazu, Buchstaben zu verwechseln: B statt P oder umgekehrt, U statt O, und wenn auch weniger häufig und massiv — die Wörter treiben immer noch ihr Versteckspiel mit mir.

Veröffentlicht bei Verlag Epubli, ISBN 978-3-8442-2648-5

Das ist die E-Book-Version :ISBN 978-3-8442-2649-2

 

Plötzlich ist die Sprache weg – Aphasie!

Sprache, Worte — seit langem waren sie wichtig für mich.

Und dann, aus ganz sicher nicht heiterem Himmel, wohl eher einem harten und heftigen Wolkenbruch,fängt das Herz an zu stottern. Erst nach der ärztlichen Behandlung, nachdem es mir wieder besser und ich mich der Illusion des glimpflichen Ausgands hingeben kann, geschieht es: Im Gewirn staut sich Blut.

Und dann ist sie weg, die Sprache!

Der einzige klare Gedanke, der mich begleitet durch Fassunsdlosigkeit und Verzweiflung:h Warum? Warum konnte ich nicht einfach sterben?

Sehr langsam erscheinen, wie unsichere, zögerliche Gäste, erste Worte, kurze Sätze, durchsetzt von all den Wörens, die nicht passen. Bis sich Freudet uspreiteel

an jedem einzelnen Wort das seinen Weg findet zu mir zurück, ebenso wieUngeduld bis hin zur Wut, wenn sie sich wieder verbergen, die Worte. Inmitten dieser Wechselbäder wäcst meine Bereitschat, durch diese Trümmerlandschaft zu wandern, die Herausforderung anzunehmen.

Gerade wenn es um Sprache ging und um Schreiben habe ich mich auch durch Hartnäckigkeit ausgezeichnet. Als die Worte wachsen, wenn auch langsam, sehr langsam, beschließe ich, es mit dem Lesen zu versuchen — und sogar mit dem Schreiben.

Die Probleme — Kopfschmerzen, Schwindergefühl —werde ich zwar ausgebremst – aber ich lasse mich nicht gänzlicht abhalten von meinem Zielt: mir die Sprache wieder anzueignen. Auch nicht von all den vertauschten Konsonanten und Vokale.

 Längere Texte zu schreiben ist noch eine riesenhafte Herausforderung und Anstrengung — aber ich bin auf dem Weg.