Einfach nur Sein und Erlauben

Die Aufgaben bis in den Abend hinein waren aufgestapelt:
Schreiben, dies noch lesen,
nach jener Information suchen
und dazwischen noch diese oder jene Kleinigkeit erledigen.
Und dann, mittendrin:
Keine Lust mehr zu gar nix.

Einfach nur: dasitzen, atmen, ein und aus…

Zuerst kommt es mir vor wie Verweigerung
als wäre ich in den Streik getreten gegen mich selbst.
Und doch scheint es in diesem Moment das einzig Richtige:
Einfach nur sein.

Gedanken gehen auf Wanderschaft
weit zurück in die Vergangenheit, in die Kinderzeit:
Nie schien es zu passen,
nie den Wünschen und Erwartungen zu entsprechen,
dieses Mädchen, das ich einst war:
So klein und verletzlich sieht es aus,
ängstlich blicken die Augen in die Welt.

Chris-Frida-klein

Liebevoll schließe ich es in meine Arme,
und erlaube uns, einfach nur da zu sein…

und dann, irgendwann…
wird mir klar: Was ich da tue –
das ist viel wichtiger als all die aufgetürmten Kleinigkeiten:
Das ist Heilung.
Ich erlaube, dass Heilung aufsteigt, tief von innen heraus.

So lange waren die kindlichen Ängste eingeschlossen im Innern,
immer wieder hervor drängend,
immer wieder zurück gestopft…
Ich umarme das scheinbar so zarte, verletzliche Kind,
dass doch so stark war,
und ich lasse mich umarmen, bis wir verschmelzen zu Ganzheit

Wege der Heilung

Der Wunsch nach Heilung…
danach, ganz und heil zu sein…
oft führt er zu vielen guten Vorsätzen:
diese Gewohnheit aufgeben, jenes tun,
dieses einnehmen, jenes meiden…

merkurischer Weg gesperrt

merkurischer Weg gesperrt

mitunter verheddert sich ein Mensch
in all dem Bemühen um Reparatur
fährt sich fest im Gestrüpp der Gebote und der Verbote,
seien sie selbstbestimmt oder von aussen…

… der Ausweg führt in die andere Richtung
tief und tiefer nach innen
und zu der Frage:
Wo bin ich nicht im Einklang mit mir?

Die kleinen Dinge zeigen sich von selbst…

Im-Kreis

Das Heilungsspiel

Heilung – ja
gut, dass es sie gibt
die Kraft der Selbstheilung
gut dass ich mich öffnen konnte dafür
.. aber…
es geschah wieder und wieder:

dieses Leiden heilen lassen
jene Sucht verschwinden lassen aus meinem Leben
und mag ein gebrochener Knochen
die Kunst der Chirurgie brauchen
ist sie not-wendig, die innere Bereitschaft,
den Knochen wieder heil und ganz sein zu lassen

Viele Gelegenheiten also,
das Loblied auf heilende Kräfte anzustimmen

Schamanentrommel

Schamanentrommel

und doch…
es kann zur Gewohnheit werden:
Körper und Seele beobachten
auf winzigste Symptome…
Fragen aufbranden lassen: Woher, warum? Was tun?
Antworten finden, re-agieren…
Gewohnheiten ändern…

Eins ist besser als das Herumlaborieren an den Symptomen:
in die tiefsten Tiefen hinabtauchen
mitten hinein in den tiefsten Kern des ursprünglichen Schmerzes
und dann:
einfach heil sein

Im-Kreis

Auf keiner Seiten stehen

Da ist dieses Paar, solange schon verheiratet…
und jede Kleinigkeit reicht, alten Streit anzufachen.
All die verkrusteten Wunden, vor langer Zeit geschlagen…
manche Eitern immer wieder von neuem,
wecken bei jeder Berührung die alten verhornten Wunden
wecken erneut den alten Zorn.

Bin ich in ihrer Nähe, dann wird geklagt und angeklagt:
Die sagt immer… der macht immer…. dieses oder jenes…
Die Klagen sind eine Aufforderung, Partei zu ergreifen.

Will ich das wirklich? Mich auf eine Seite schlagen?
Mich in uralte Kämpfe verheddern lassen?
Oder lieber den inneren Blick ausweiten, das ganze Bild sehen?

Auch Staaten zelebrieren ihre alten Wunden
weisen Schuld zu dem vermeintlichen Feind
der doch aus so vielen einzelnen Menschen besteht
und die meisten wollen nichts als ihr Leben leben,
mit Familie, mit Freunden…
doch da sind diejenigen, die immer wieder
an den alten Wunden kratzen
nicht, um sie zu öffnen für Heilung, sondern
um das Feindbild zu stärken
um verkrustete Reaktionen zu wecken:
den Wunsch nach Rache.

Ihre Anklagen sind Aufforderung, Partei zu ergreifen
und Politiker und Medien fallen darauf herein
polarisierend, manipulierend…
alle wollen eine Mehrheit auf ihre Seite ziehen…
nur eine Mehrheit, nicht alle: Das Feindbild soll bleiben.

Will ich das wirklch? Partei ergreifen?
Mich in uralte Kämpfe verstricken lassen?
Oder den inneren Blick ausweiten, das ganze Bild sehen?

Auch diese uralte Eiche trägt alte Wunden
seit sie vom Blitz getroffen.
Unbeirrt von Zorn reckt sie
die verbliebenen Wurzeln dem Licht entgegen,
die Wurzeln dem nährenden Wasser…
Jedes Jahr bringt sie frisches Grün hervor

Eiche-vom-Blitz-getroffen

Familienbild mit schwarzer Ziege

Zigenkopf-Sündenbock

Familienbild mit schwarzer Ziege
Als Fremdling hineingeboren in eine Familie aus hellen Schafen
― schwarz und von Anbeginn an bestimmt zum Anders‑Sein.
Die Schafe schämen sich des dunklen Wesens in ihrer Mitte
sagen: „Ja, sicher gehörst du zu uns,
aber dann sei auch wie wir.
Sei hell und lieb und artig und nett.“

Als einziges bockiges schwarzes Tier
in einer ganzen Herde weißer Schafe
fühlt sich der schwarze Fremdling getrieben ins Anders‑Sein
verlässt die saftigen Kleewiesen
grast lieber auf steinigen Hängen, wo
im Steingrund unter den Hufen nichts wächst
als kratzige Disteln, stachliger Ginster:
Nahrung, die eine Botschaft enthält.
Disteln und Ginster sind zähe Gewächse
die treiben ihre Wurzeln tief in den Boden
weder Nahrung noch Wasser finden sie
an der kargen Oberfläche
und wenn sie auch bitter schmecken
so haben sie doch heilende Kraft.

Schwarz‑Sein:
das war nicht nur Anders‑Sein, Nicht‑Dazugehören
das wurde auch zu einer Maske
in deren Schutz sich Heilung vollzog
hinter der die verkannte Schaf‑Ziege zur Närrin wurde
ihre Narrenfreiheit genießen lernte
auf andere Narren traf ― um schließlich zu erkennen:
Nicht armes ausgestoß’nes Schaf bin ich sondern Ziege
wie all die ander’n un‑angepassten Narren
zu deren Wesen es gehört
bockig und eigen‑willig zu sein.

Die Schwarze Ziege beginnt
sich wohl zu fühlen an ihren steilen Hängen
wo heilsame Kräuter wachsen
wo zwischen den Steinen schwarzglänzende Skorpione leben
die teilen des Nachts ihre Geheimnisse mit
führen ihre Tänze der Liebe auf
und dann und wann ist Pan zu Gast mit seiner Flöte.

Narren und Ziegen lernen unterscheiden:
wo die Mitglieder der Schafherde mit ihrer Weißheit prahlen
da sieht die schwarze Ziege grauverfilzte Wolle
und sie weiß um den Glanz auf ihrem eigenen schwarzen Fell.
Die Närrin singt ihre Lieder, begleitet von Schellengeläut
vollführt ihren Akt der Balance auf dem hohen Seil
aufgespannt zwischen Bosheit und Weisheit.

Ziegenbock

(Dieses Gedicht ist nicht schon etwas älter, es ist veröffentlicht in meinem Gedichtband „Mein Krähennest“ und auch, mit anderen Gedichten, auf diesem Blog unter dem Ober-Titel „Narrenfreiheit“.
Aber weil’s einfach passt zur „Ziegenkraft“ kommt es hier nochmal.)

Spiralen

Schlange-Ei-kubistisch

Winterspirale

Erschüttert von Krankheit bis in die Essenz des Seins
und dann… einen ganzen langen Sommer… langsam
herausklettern aus der Tiefe…
Langsam?
Manche sagen: Diese Heilun vollzog sich sehr rasch,
nennen sie: Schon fast ein Wunder.

doch ich war nicht zufrieden,
ging – einen langen, sehr langen Winter lang –
tiefer nach innen.
Fast schien es wie ein Winterschlaf, doch in der Tiefe geschah sehr viel:
tiefere Heilung.

Bis sie am Ende dieses Langen Winters wieder aufglitzerte: Lebensfreude.
Magie des Lebens
weckt
der Wunsch wieder hinauszugehen in die Welt.

Crokus-im-Schnee
Blumen-im-Schnee

Saxofon-Spiralen

Getümmel in der Stadt
Leute eilen, schauen, kaufen,
hasten weiter, schauen, verwerfen…
In meinem Kopf dreht sich das Sorgenkarussell:
wenn ich dies kaufe, so viel ausgebe, was bleibt?
Zu wenig…

Irgendwo nahebei die Töne eines Saxofons
heben mich heraus aus dem Getümmel
um mich abzusetzen in einem unvergessliches Konzert,
bringen mich wieder in Einklang
mit mir und meinem Leben
und tragen mich von diesem Punkt der Vergangenheit
in spiraligen Kreisen
hoch hinaus, dorthin, wo
es ganz leicht ist, der Frage nachzuspüren: Was ist wesentlich?
Eingehüllt in spiralende Klänge wie in einen magischen Mantel
gehe ich leichtfüßig durch die Menge.

Schlange-eingerollt

Herbstgedichte

LeeresNest

Leeres Nest

Bäume hüllen sich in ihre Herbstfarben

bevor sie ihr Laub loslassen.

Zuvor verborgenes wird sichtbar: Ein leeres Nest.

Die junge Vögel sind längst flügge

Zugvögel brechen auf in wärmere Gefilde.

Natur bereitet sich vor auf Ruhe, darin eingebettet

noch unsichtbar: der nächste Zyklus des Wachsens.

Herbstlaub

Stapfen durch rotgoldenes Oktoberlaub im Gras:

Ich sehe mich selbst als Baum

breite meine Äste und Zweige aus

blicke zurück auf diesen Sommer,

auf Erfahrungen schmerzhaft, fröhlich, schön, traurig

immer wieder durchsetzt mit Zweifeln.

Vieles habe ich verwandelt:

Zorn in Vergebung

Angst in Hoffnung

Krankheit in Heilung

Gedanken und Gefühle in Sprache.

Bereitwillig kann ich die Blätter der Erfahrung

dem Wind überlassen und der Erde anvertrauen.

Altes wird aufgelöst, damit das Neue

auf sattem Boden gedeihen kann.

Vogelschwarm

.

Neue Schamanin

Wäre ich eine Göttin —

welchen Job würde ich übernehmen?

Bisher war es offenbar der Job des Heilens —

immer und immer wieder.

Da gab es Sucht

da gab es gebrochene Knochen

da gab es den Flirt mit dem Suizid

weil alles so mühsam schien.

Da waren all diese Gefühlsknoten, die ich aufdröselte

scheinbar geduldig wie eine Strickerin,

im Innern jedoch vibrierend vor Ungeduld.

Schon bevor ich in diesen Kreis eintrat aus Krankheit

und Heilung und wieder Krankheit, da gab es andere,

die ihre Sorgen bei mir abluden,

ihre Unzufriedenheit, ihren Schmerz, ihr Leid —

und ich fühlte mich verantwortlich.

Wie diese Schamanen aus alter Zeit,

wenn sie die Leiden der anderen in sich einsogen in ihre eigenen Körper,

um dort, von tief innen heraus, Krankheit aufzulösen.

Ich bin es leid, diese Art des Heilens.

Was keineswegs heißt: Müde, heil zu sein.

Aber erschöpft, das Spiel des Heilens immer wieder

von Neuem zu beginnen.

Ich will nur noch: ganz und heil sein — und bleiben!

Eine neue Art von Schamanentum ist not-wendig

und dazu gehört: Andere auf sich selbst zurückwerfen.

Nur gerade noch so weit gehend, ihnen zu verraten:

„Ginge ich in deinen Schuhen, ich würde dieses ändern,

jenen Weg beschreiten, mich darauf konzentrieren.

Und du bist frei, es zu probieren.“

Was die Göttin des Heilens zu einer neue Schamanin macht

was sie verwandelt in die Göttin der magischen Transformation.